Gefühle zulassen: Warum Kinder trauern dürfen und wie wir sie dabei unterstützen können

Auf einem gelben Tuch sind Teelichtkerzen, bunte Murmeln, Muscheln, Steine und symbolische Formen in einem dekorativen Muster angeordnet, das die sanfte Unterstützung der Trauerbegleitung und den beruhigenden Rhythmus der Trauerwellen in der Ostschweiz widerspiegelt.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Hast Du schon einmal beobachtet, wie Dein Kind mit einem Verlust umgeht – sei es das kaputte Lieblingsspielzeug, der Umzug eines Freundes oder der Verlust eines geliebten Haustieres. Diese Beispiele zeigen, dass Verlust und Trauer oft unausweichliche Begleiter der Kinder sind. Und doch wird diesem Thema häufig zu wenig oder sogar keine Aufmerksamkeit geschenkt. In diesen Momenten ist es wichtig, dass Du als Mama oder Papa verstehst, dass Trauer ein natürlicher Teil des Lebens ist und dass Kinder Raum brauchen, um ihre Gefühle auszudrücken. In diesem Beitrag erforschen wir, warum es so entscheidend ist, dass Kinder trauern dürfen und wie Du Dein Kind dabei unterstützen kannst. Du erfährst, wie Verlust und Neubeginn miteinander verbunden sind, welche unterschiedlichen Trauermuster es gibt und wie Du als Bezugsperson einfühlsam auf die Bedürfnisse Deines Kindes eingehen kannst. Lass uns gemeinsam herausfinden, wie Du Deinem Kind helfen kannst, mit seiner Trauer umzugehen und wie diese schweren Zeiten Dein Kind langfristig stärkt.

Warum Kinder trauern dürfen/sollen/müssen

Um zu verstehen, warum Kinder trauern dürfen, sollen und müssen, schauen wir uns erstmal an, was Verlust eigentlich bedeutet.

Was ist Verlust und wie können schon Kinder damit lernen umzugehen?

Schon bei der Geburt erfahren wir was Verlust ist, nämlich der Verlust der sicheren und geborgenen Gebärmutter. Dieser Verlust oder auch Abschied ist gleichzeitig ein Neubeginn in unser eigenes, eigenständiges Leben.
Du siehst, ein Verlust geht einher mit einem Neubeginn – sie sind unausweichlich miteinander verbunden. Das heisst im Umkehrschluss, ohne Verlust kein Neubeginn? In gewisser Weise ja, doch dazu später mehr…

Verlust, egal welcher Art, sollte von uns Erwachsenen immer akzeptiert, nicht beschönigt werden und vor allem, wir sollten nicht sofort für Ersatz sorgen – vor allem nicht heimlich! Warum? Weil Dein Kind dann lernt, Verlust und die damit einhergehende Trauer darf nicht gezeigt werden, muss unterdrückt werden und wird nicht ernst genommen respektive braucht von mir, dem Kind, nicht ernst genommen werden.

Lässt Du den Verlust und die damit einhergehende Trauer bei Deinem Kind zu und akzeptierst diese, hat Dein Kind die Möglichkeit und Chance eigene Strategien zu entwickeln, wie es mit dem Verlust umgehen kann. Dein Kind geht aus der Verlusterfahrung gestärkt fürs Leben heraus und es kann langfristig für sich selbst Verantwortung übernehmen.

Das heisst, wenn Dein Kind Abschiede und Trauer durchleben und spüren darf, stärkst und förderst Du ihre gesunde Entwicklung. Und: Kinder brauchen, um ihre Gefühle ausdrücken und durchleben zu können, die Erlaubnis ihrer Bezugsperson. Das heisst: wenn Du Deinem Kind sagst, «es ist in Ordnung, wenn Du traurig bist»; «es ist okay, wenn Du weinst», lernt Dein Kind, dass es diese negativ behafteten Gefühle nicht unterdrücken muss.

Und wie sieht nun die Realität aus?

Wenn Dein Kind eine Verlusterfahrung erfährt, möchtest Du es vielleicht vor der Trauer schützen. Es soll weiterhin fröhlich und unbeschwert durchs Leben gehen. Vielleicht denkst Du auch, dass Dein Kind noch zu klein ist, um den Verlust und die damit verbundene Trauer zu verstehen.
Erkennst Du Dich in diesem Worten wieder? Diese Reaktion(en) sind natürlich, denn der Schutz des eigenen Kindes steht zunächst im Vordergrund. Doch wenn Du nun genauer überlegst, was fällt Dir ein? Wie trauerst Du und wie gehst Du mit einem Verlust um?

Schon Säuglinge merken unser eigenes verändertes Verhalten in einer Verlustsituation. Wir können schon unserem Baby sagen, dass wir gerade traurig sind und deshalb gerade nicht so viel lachen. Natürlich versteht Dein Baby noch nicht, was diese Worte genau bedeutet, es spürt aber die Emotionen dahinter. Es merkt: traurig sein ist okay, lachen und glücklich sein ist okay. So kannst Du bereits von Anfang an mit Deinem Kind über Emotionen, Gefühle, Verlust und Trauer kommunizieren und es lernt seine eigenen Gefühle zuzulassen und ihnen Raum zu geben.

Worum trauern Kinder (in ihrem Alltag)?

Natürliche Entwicklungsübergänge

Natürliche Entwicklungsübergänge, wie das Entwöhnen von der Brust, dem Schoppen, Schnuller, der Windel bedeuten Verlust. Dein Kind gibt etwas auf und gewinnt gleichzeitig etwas Neues dazu. Das kann eine neue Fähigkeit sein und eine neue Freiheit, z.B. selbständig/alleine Essen, auf die Toilette gehen, etc.

„Echter“ Verlust vs. Bagatelle

Was ist „echter“ Verlust, was ist „nur“ eine Bagatelle? Gibt es überhaupt Bagatellen? Wenn das Lieblingsspielzeug Deines Kindes kaputtgeht, wie reagiert dann Dein Kind? Ist es traurig und weint? Ist es vielleicht sogar wütend? Oder ist es glücklich?
Für Dein Kind ist dieser Verlust keineswegs eine Bagatelle, sondern ein echter Verlust. Denn: dieses Spielzeug hat ihn/sie begleitet, es ist ihm/ihr ans Herz gewachsen und nun ist es weg.
Verlust für Dein Kind bedeutet: Abschiednehmen; sich von etwas trennen; etwas verlieren, was es nicht aufgeben möchte – es ist emotional eng mit dem Verlorenen verbunden.

Um was Kinder trauern

  • um das gestorbene Haustier
  • über den Umzug in ein anderes Viertel, eine andere Stadt
  • wenn ein Geschwister auf die Welt kommt
  • bei einem Krankenhausaufenthalt einer nahestehenden Person
  • bei der Trennung der Eltern
  • beim Tod einer nahestehenden Person
  • über kaputte Kleidung
  • über kaputte Dinge
  • beim Übertritt in den Kindergarten oder die Schule

Diese Auflistung zeigt eindrücklich, dass sich Trauer nicht nur um den Tod eines Menschen oder Haustieres dreht, sondern sehr vielfältig und alltäglich ist. Daher ist es wichtig, dass wir Eltern den Verlust und die Trauer unseres Kindes ernst nehmen und mitfühlen. Wir belächeln und werten die Trauer nicht!

Die unterschiedlichen Reaktionen von Kindern in ihrer Trauer

Kinder trauern oft anders als Erwachsene. Ihre Trauer äußert sich häufig durch:
(Liste nicht abschliessend)

  • Ein verändertes Verhalten: Lachen, Weinen, Wutausbrüche, Clown sein, Nägelkauen, Aggressivität, Unsicherheit, Hilflosigkeit, …
  • Soziale Reaktionen: Rückzug, sie geben das Hobby auf, sagen Verabredung(en) mit Freunden ab, …
  • intensive Gefühle: Schmerz, Verzweiflung, Angst, Panik, Liebe, Sehnsucht, …
  • körperliche Reaktionen: Bauchschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Übelkeit, Schwitzen, Durchfall, Probleme beim Einschlafen, …
  • Träume: Intensive Träume als Reaktion auf einen Verlust oder die Verarbeitung des Verlusts und der Trauer
  • Schuldgefühle: Dein Kind denkt, dass es Schuld ist am Verlust, der Krankheit des Geschwister, der Trennung der Eltern, …
  • Unsichtbare Trauer: Es kommt keine Reaktion von Deinem Kind, als ob nichts geschehen wäre. Es funktioniert weiter, erledigt seinen Alltag und zeigt keinerlei Emotionen. Diese Reaktion(en) sind ein Schutzmechanismus Deines Kindes, vor der eigenen Überforderung und ein Schutz, um nicht zur Last zu fallen.

Fazit: Es ist wichtig, Kindern Raum für ihre Gefühle zu geben, sie zu unterstützen und mit ihnen über den Verlust zu sprechen. Durch einfühlsame Begleitung und offenen Austausch können Kinder lernen, mit ihrer Trauer umzugehen und diese zu verarbeiten.

Wie Du Dein Kind in seiner Trauer unterstützen kannst

Altersentsprechende ehrliche Worte

Kleinkinder bis etwa 24 Monate benötigen vor allem eine stabile, liebevolle Beziehung zu ihren Bezugspersonen. In diesem Alter ist es wichtig, dass Du Deinem Kind möglichst verlässliche Alltagsabläufe gibst, bei denen es Sicherheit spürt.

Kleinkinder und Kinder im Vorschulalter führen ein Ereignis oft auf eine Ursache zurück. Sie denken in Bildern, spiegeln oft unserer Gefühle, haben das magische Denken und sie verstehen bereits ihre existentielle Abhängigkeit zu ihrer Bezugsperson. Bei einem Verlust können sie (neue) Verlustängste entwickeln. Indem Du feinfühlig, sensibel und zuverlässig reagierst, Deinem Kind Stabilität und eine Alltagsstruktur gibst, hilfst Du ihm/ihr durch die Zeit der Trauer.

Schulkinder möchten Zusammenhänge verstehen und sie haben ein grosses Interesse an sachlichen Fragen. Diese dienen dem Aufbau des eigenen Weltbildes. Ausserdem nehmen Kinder im Alter zwischen 7 und 12 Jahren das Gesagte wörtlich, was zu Missverständnissen führen und unnötige Ängste auslösen kann. Eine ehrliche Sprache ohne Umschreibungen ist in diesem Alter besonders wichtig, so sagen wir nicht «die Person ist eingeschlafen.», sondern «die Person ist gestorben.»

Höre Deinem Kind aktiv zu, sei ihm/ihr zugewandt, wenn es spricht und fasse das Gesagte am Ende kurz zusammen. Wiederhole dabei die Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse Deines Kindes, die Du während seiner/ihrer Erzählung wahrgenommen hast. So erfährt Dein Kind: Mama oder Papa hören mir wirklich zu, sie nehmen mich ernst, sie verstehen mich und meine Gefühle. Du kannst Dich so vergewissern, dass Du das Gesagte richtig verstanden hast und Missverständnisse können verhindert werden.

Kreativität

Basteln, Singen, Vorlesen, (Rollen)Spiele, Malen, … können helfen, den Verlust und den damit einhergehenden Veränderungsprozess in einem anderen Kontext zu betrachten. Die Ängste, Sorgen und die Trauer können spielerisch, verbal, oder gestalterisch zum Ausdruck gebracht werden und verlieren so Stück für Stück an Grösse. Dein Kind hat die Möglichkeit während der aktiven Tätigkeit eine neue Sichtweise auf den Verlust zu bekommen, neue Einsichten zu erlangen und die Veränderungen, welche mit dem Verlust einhergehen neu zu sortieren. Dein Kind lernt so, auf spielerische Weise, dass es seine Verluste bearbeiten und verarbeiten kann und es fördert seine/ihre Selbstwahrnehmung. Erinnere Dein Kind immer wieder daran, was es (schon) gut kann, fördere sein/ihre Stärken und Talente. Auch das geht im kreativen Kontext. Es gibt Deinem Kind Selbstsicherheit und Selbstvertrauen und es kann sich leichter an die neue Situation anpassen.

Trauergefühle aushalten

Weinen, wenn man traurig ist; wütend sein, …
Erkenne die Gefühle und Reaktionen Deines Kindes auf den Verlust und seine/ihre Trauer an und unterstütze ihn/sie liebevoll in dieser Zeit. Wichtig ist, dass Du die Gefühle nicht klein redest, Dich nicht herablassend über seine/ihre Gefühle äusserst und zum Beispiel weinen nicht als Schwäche betitelst. Erlaube Deinem Kind, dass es weinen darf, halte mit ihm/ihr die Tränen aus und sage ihm/ihr, dass weinen kein Zeichen von Schwäche ist.
Wenn Du das beachtest, bist Du bereites eine grosse Stütze für Dein Kind. Es kann mit Deiner Unterstützung seine eigenen Ressourcen aktivieren, seinen eigenen Weg durch die Trauer finden und sich wieder Stück für Stücke seinem/ihrem Leben zuwenden.

Mit Ritualen begleiten

Rituale begleiten uns von Klein an und sind ein fester Bestandteil bei freudigen Ereignissen. Wieso also nicht auf Rituale bei traurigen Ereignissen zurückgreifen? Rituale geben Halt, stabilisieren Dein Kind und geben ein Gefühl von Sicherheit und Gemeinschaft. Rituale verbinden Abschied und Neubeginn, bei denen alle Gefühle, ob leicht oder schwer, zum Ausdruck gebracht werden können.

Welche Rituale kommen Dir spontan in den Sinn, die Ihr in Eurer Familie zelebriert?

  • Religiöse und kulturelle Rituale: Taufe, Hochzeit, Trauerfeier, …
  • Familiäre Rituale und Rituale im sozialen Umfeld: Umarmung, Händedruck, Kuss auf die Wange, Nachwinken, …
  • Weitere Rituale: Zahndose beim Verlust der Milchzähne, Feier beim ersten Kindergartentag oder Schultag, Feier beim Schulabschluss, …

Fazit

Zusammenfassend ist es wichtig, dass Du die Trauer deines Kindes ernst nimmst und ihm den Raum gibst, seine Gefühle auszudrücken. Du förderst seine/ihre gesunde Entwicklung, indem Du auf seine/ihre Bedürfnisse eingehst und ihm/ihr hilfst, den Verlust als Teil des Lebens zu verstehen. Trauer macht nicht schwach, sondern ist Ausdruck von Stärke. Lass Dein Kind wissen, dass es in Ordnung ist, traurig zu sein und dass Du immer für es da bist. Und sollte der stressige Alltag dazwischenkommen, was durchaus normal ist, halte kurz inne. Versuche Dich an die Beispiel von oben zu erinnern und überlege, ob das Eine oder Andere nicht doch in den Alltag integriert werden kann.

Möchtest Du mehr zur Trauer von Kindern und dem Umgang damit wissen?
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